TOGETHER independent: Ankerwechsel Verlag

Harrier Dohmeyer vom Ankerwechsel Verlag (c) Malte Dibbern

Harrier Dohmeyer vom Ankerwechsel Verlag (c) Malte Dibbern

9 FRAGEN AN HARRIET DOHMEYER VOM ANKERWECHSEL VERLAG

Harriet Dohmeyer ist unsere rasende Reporterin des Vertrauens, wenn es um guten Kaffee und kreative Orte zwischen Stadt und Natur geht. Für ihren Ankerwechsel Verlag interviewt und fotografiert sie kreative Gründer*innen von Cafés, Läden und Kulturplätzen in Hamburg, Amsterdam Leipzig und Kopenhagen. Weshalb sie nach ihrem Studium in digitaler Kommunikation ausgerechnet einen Print-Verlag gegründet hat, erzählt die leidenschaftliche Autodidaktin im ALMOST-Interview.

Wer bist du und worum geht es bei Ankerwechsel?

Mein Name ist Harriet, ich bin 26 Jahr alt und lebe und arbeite in Hamburg. Im Ankerwechsel Verlag stehen zeitgenössisches Entdecken und die Begegnung im Vordergrund. Wir zeigen neue Wege, statt platt getrampelten Pfade und produzieren Bücher, Postkarten und limitierte Fotodrucke klimaneutral in Hamburg, St. Pauli.

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Welche Mission steckt hinter deinem Verlag?

Ankerwechsel will Licht in den Nebel des Überangebots werfen. Mit der Hallo-Buchreihe erzählen wir von Cafés, Läden und Kulturplätzen in Hamburg, Amsterdam Leipzig und Kopenhagen. Alle Orte, die wir vorstellen, werden dabei persönlich besucht und fotografiert. Außerdem führe ich dafür etliche Interviews mit spannenden Macher*innen und Kreativen. Das Projekt „Plattenbau Magazin“ folgt dem gleichen Ansatz: eine Kuration der Vielfalt, die uns umgibt. Exploriert wird hier aber die Welt junger Musik – auf digitalem Wege. Und für die Zukunft haben wir noch so einige Ideen auf dem Zettel.

   

Wie bist du auf die Idee gekommen, dich selbstständig zu machen?

Bereits in der Jugend fand ich es spannend, mich unternehmerisch auszuprobieren und so mein Taschengeld etwas aufzubessern. Als Kind von zwei Selbstständigen nahm ich außerdem früh Vor-, aber auch Nachteile der Selbstständigkeit wahr. Vor allem aber wuchs ich mit einer grundlegenden Vorstellung dieser Möglichkeit auf. 

Erste Schritte in der publizistischen Tätigkeit machte ich dann 2013 mit einem eigenen Blog. Das war gefühlt die ersten Gehversuche in die Selbstständigkeit, obwohl die Erfahrung wenig mit Geldverdienen zu tun hatte. Bloggen war damals für mich eher ein kreatives Hobby mit viel Potential mich selbst auszuprobieren – und das Wort Influencer*in galt noch sehr weit davon entfernt, es sogar in den Sprachgebrauch meiner Oma zu schaffen. Mit dem Wachstum von Social Media (und auch meiner eigenen Reichweite) wurde mir allerdings klar, dass ich selbst kein finanzielles Standbein durch Werbekooperationen aus dem Blog und den zugehörigen Kanälen aufbauen wollte. Mich zog es in den Journalismus und ich fing an, frei dort und in der Fotografie für andere Verlage und Projekte zu arbeiten. Schließlich träumte ich davon, Inhalte losgelöst von anderen Verlagen in ein Printformat zu bringen. Deshalb gründete ich 2017 neben meinem Masterstudium den Ankerwechsel Verlag.  

 

Welche Rolle spielt deine Community für deinen Verlag und deinen persönlichen Arbeitsalltag?

Sie ist wie eine sanfte Hand auf dem Rücken, die Mut schenkt. Wer sich mit dem Thema Buchverlag mal etwas tiefer auseinandersetzt, wird schnell lernen, dass man eine gewisse Auflage einfach zwingend produzieren und verkaufen muss, wenn man Aufwand und Kosten decken, fair & nachhaltig handeln und auch noch wachsen möchte. Das Wissen über die Community und die Reichweite zu potentiellen Leser*innen gibt mir unternehmerische Sicherheit. Jedes weiter empfohlene Buch hilft, die Sichtbarkeit für unsere Arbeit zu erhöhen. Weiter sind über meine Community auch Kontakte zu heutigen Mitarbeiter*innen, Händler*innen oder anderen mir wichtigen Menschen entstanden. Und es ist natürlich großartig die potenziellen Leser*innen immer wieder aktiv in die Arbeit einbeziehen zu können – Orte, die ich für die Hallo-Bücher anschaue, werden mir nicht selten durch Instagram-Kommentare oder Mails von der Community empfohlen.

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Warst du jemals in einem großen Konzern o.ä. angestellt? 

Während des Praxissemesters in meinem Bachelorstudium und noch einige Zeit danach habe ich bei einem großen Hamburger Verlag gearbeitet. 

Wie fühlt sich die Selbstständigkeit im Vergleich an? 

Sicher hat alles seine Glanz- und Schattenseiten. Heute bin ich sehr glücklich, mich für die Selbstständigkeit entschieden zu haben. Ich verwirkliche mit dem Ankerwechsel Verlag meine ganz eigenen Vorstellungen. Und ich denke, dass ich die dafür nötige Freiheit nur in der Selbstständigkeit leben kann. Bei den Büchern wollte ich beispielsweise nicht nur den Inhalt erstellen und dann aus dem Prozess heraustreten. Für mich gehören zu der Idee essenziell auch Dinge, wie mich nah mit unserer Grafik Designerin Violetta Sanitz über die Inhalte auszutauschen und den Vertrieb der Bücher bewusst zu gestalten. So wollte ich viel auf Direktvertrieb setzen und die (Buch-)Händler*innen sollten zum Inhalt passen (statt Onlinegiganten zu sein). Mir ist durchaus bewusst, warum viele Verlage handeln, wie sie es tun, aber ich möchte meinen Weg gehen und eigene Erfahrungen machen. Überhaupt lerne ich mit der Selbstständigkeit unglaublich viel. Das ist zweifelsfrei ein Punkt, den man aber als Angestellte*r mit tollen Mentor*innen auch erleben kann. 

Am Anfang fehlte mir übrigens gelegentlich der Austausch mit anderen. Damals war das Team um mich herum noch deutlich kleiner. Viele gute Gedanken konnte ich damals aber schon aus Gesprächen mit befreundeten Gründer*innen mitnehmen – und auch von Veranstaltungen wie der Hamburger Indiecon (Festival für Independent Publishing) oder der Frankfurter Buchmesse. Schließlich sind wir ganz natürlich gewachsen und ich in ein Gemeinschaftsbüro gezogen. Grüße an dieser Stelle an Printfreund und Bürokollegen Thorsten vom Onlineshop Coffee Table Mags!

 

Wie sieht dein Arbeitsalltag aus?

Jeder Tag ist anders und da ich neben dem Verlag auch noch frei z.B. als Lehrbeauftragte tätig bin, arbeite ich nicht die komplette Woche für Ankerwechsel. Generell bin ich aber viel im Austausch mit unserem Team für Planungen und Abstimmungen. Dann kümmere ich mich um Pressearbeit, Social Media und Buchhaltung. Und wir verpacken alle Bestellung, die über den Onlineshop reinkommen und kümmern uns um Großbestellungen von unseren Reseller*innen, die wir in Hamburg häufig persönlich mit dem Fahrrad ausliefern. 

Beim Jonglieren meiner vielfältigen Aufgaben hilft mir enorm, dass ich zum einem überzeugte Autodidaktin bin und zum anderen eine breite Ausbildung besitze. Nach einem BWL/Marketing-Bachelor, schloss ich ein Masterstudium in Digitaler Kommunikation ab – und lernte auf diesem Wege nochmal ganz andere Fähigkeiten zum journalistischen Arbeiten und der digitalen Kommunikation. Ich kann bis heute nicht vergessen, wie überrascht mein Professor geschaut hat, als ich ihm damals ausgerechnet von der Gründung eines Print-Verlages erzählte!

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Für die Entstehung eines neuen Buches ziehe ich mich aus dem Arbeitsalltag so gut wie es geht ganz heraus und bin wochenlang unterwegs, recherchiere und fotografiere. Viele Orte, die wir vorstellen, sind übrigens auch Empfehlungen von Gründern und Gründerinnen, die ich in der Zeit kennenlerne. So zieren immer ein paar Querverweise die Hallo-Bücher. Zurück im Verlag arbeite ich viel mit anderen Kreativen zusammen. Bis die Arbeit nach intensiven Monaten schließlich in den Druck geht. So aufregend diese Phase auch immer ist, ich genieße sie extrem. 


Worauf bist du besonders stolz?

Eine schwere Frage! Wenn keiner guckt: im Leben gelernt zu haben auf mein Bauchgefühl zu hören und reflektieren zu können. Natürlich aber auch auf jene kreative Spielwiese, die ich mir mit Ankerwechsel geschaffen habe. Und die ich weiter und weiter bepflanzen und pflegen möchte.  

 

Was bedeutet independent für dich? 

Freiheit, z.B. Dinge zu hinterfragen und anders zu machen. Viel Arbeit. Und vor allem etwas, das ich niemals aufgeben möchte.

 

Welches andere independent-Label kannst du uns empfehlen? 

Die Freundinnen Paulina und Antonia stöberten schon lange über Flohmärkte und aus Reisen nach Vintage-Schätzen bis sie unter dem Label „Paul & Toni“ entschieden mit ihrer Leidenschaft für besondere Einrichtungsstücke auch andere anzusprechen. Mittlerweile gibt es auch erste eigene Kissen und Patches von den Hamburger Grafikdesign Duo und ich bin gespannt, was noch folgt. 

Vielen Dank, liebe Harriet!